Es gibt selten Filme, die ich mir mehr als einmal ansehe. Und davon nur ganz wenige, die ich bislang dreimal und mehr gesehen habe. Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994) und Walter Hills „The Warriors“ (1979) zählen mit zu diesem kleinen Kreis. Und dann ist da einer, der einsam auf dem Thron hockt und in den letzten 30 Jahren ein Dutzend Mal wiederabgespielt wurde. Anfangs auf VHS-Kassette und später auf DVD. Es ist einer der weniger bekannten Filme von Martin Scorsese, den er 1985 als Die Zeit nach Mitternacht („After Hours“) auf die Leinwand brachte. Eine schwarze Komödie mit tragischen, schrägen und etlichen surrealen Zügen. Quasi ein nächtlicher Trip durch Lower Manhattan. Und das (fast) ohne Drogen.
Wenn der Name Martin Scorsese fällt, klingelt es zuerst mit Filmklassikern wie „Taxi Driver“ (1976) oder „Good Fellas“ (1990). Als er 1985 bei „Die Zeit nach Mitternacht“ Regie führte, fiel dieser Film beim Popcorn schmatzenden Publikum rigoros durch. Und das trotz guter Kritiken. Vielleicht lag es am kleinen Budget von 4,5 Millionen US-Dollar und dem Fehlen jeglicher Spezialeffekte? Oder der Tatsache, dass der Produzent auch gleichzeitig die Hauptfigur mimte? Was auch immer der Grund war, es kommt vor, dass Filme von Kritikern gepriesen werden und dennoch floppen. Oft entwickeln sich diese dann zu Geheimtipps, die von einigen Spinnern auf einem Altar verehrt, regelmäßig entstaubt und alle Jubeljahre rituell abgespielt werden. So wie bei mir.
„Die Zeit nach Mitternacht“ – die Story von Paul Hackett
Wenn Filme dort beginnen, wo sie auch enden, dann sind sie entweder kaum originell oder das genaue Gegenteil davon. Hier ist es der New Yorker Arbeitsplatz des gelangweilten Programmierers Paul Hackett (Griffin Dunne), musikalisch mit Mozarts Sinfonie 95 untermalt, dem in dieser Nacht eine Irrfahrt durchs nächtliche Manhattan bevorsteht. Davon weiß er im Moment noch nichts und würde den Feierabend gern abwechslungsreicher als seinen blassen Arbeitsalltag verbringen. Vielleicht sogar etwas aufreißen, sollte sich die Gelegenheit bieten. Dass ihm etwas rollig zumute ist, verrät sein abschweifender Blick auf den Hintern einer Kollegin, gleich in den ersten Minuten.
So sitzt er wenig später mit Henry Millers „Wendekreis des Krebses“ in einem Café und liest versunken im erotisch angehauchten Schmöker. Das »Ich liebe dieses Buch …« vom Nebentisch nimmt er wie aus einer fernen Welt nur mit etlichen Sekunden Verzögerung wahr. Kommt dann aber schnell mit seiner attraktiven Tischnachbarin (Rosanna Arquette) ins Gespräch. Das kurze Zeit später beim Thema Briefbeschwerer endet. Diese stellt ihre Mitbewohnerin und befreundete Bildhauerin her. Falls er Interesse hat, soll er doch anrufen.
Zurück in der Wohnung. Der Hörer wird abgenommen und die Wählscheibe gedreht: »Hallo. Ich rufe an, weil ich an Ihren Briefbeschwerern interessiert bin!« Mittellange Pause: »Ach ja?« Immerhin erfährt er, dass seine Café-Bekanntschaft mit Vornamen Marcy heißt und er doch vorbeikommen soll. Klingt nach einer guten Gelegenheit, und wer hat noch nie einen Briefbeschwerer als Vorwand genutzt, um eine Frau kennenzulernen? Nach holpriger Taxifahrt von der Upper East Side nach SoHo, in der dummerweise sein letzter „Jackson“ (20-Dollar-Schein) aus dem Fenster fliegt, steht er Punkt 23:32 Uhr nervös und mittellos vor der Tür des Dachgeschoss-Ateliers und klingelt.
Oben angekommen die erste Enttäuschung: Marcy ist nicht da und kurz zur Apotheke. Dafür die dominant angehauchte Bildhauerin Kiki (Linda Fiorentino), die gerade an einer Skulptur arbeitet und den unbeholfenen Paul bittet (eher befiehlt), mal kurz an ihrer Skulptur weiterzuarbeiten. Vom Künstlertag verspannt und Pauls angebotener Massage angetan, versinkt Kiki langsam, aber sicher in Pauls Schoß. Warum auf die Taube warten, wenn der Spatz schon in den Armen liegt? Blöd nur, dass Kiki nach der Massage schlicht eingeratzt ist. Was Paul kurz vorm Fummeln noch rechtzeitig erkennt. Nun steht auch schon Marcy in der Tür.
Das zweite Gespräch mit Marcy in ihrem Zimmer verläuft ähnlich mühsam wie das erste. Sie reden viel, aber kommunizieren tun sie eigentlich nie. Marcy wechselt ihren Gemütszustand wie Unterwäsche und pendelt zwischen hysterisch, euphorisch und apathisch. Und dann sind da noch die wiederkehrenden Hinweise auf schwere Brandwunden, an denen Marcy offenbar leidet. Pauls Blick verrät, dass hier einiges sehr seltsam ist. Und so nimmt er Marcys Vorschlag dankend an, kurz runter zum Diner zu gehen.
Viel kommunikativer verläuft es dort unten nicht. Ihre Geschichten werden immer abstruser und Paul erkennt, dass Marcy offensichtlich die Pfanne heiß hat. Zurück in ihrer Wohnung dasselbe Spiel aus kaputter Kommunikation und Hilflosigkeit. Zwei von Marcys gebunkerten Joints sollen die Situation retten, aber der Shit taugt nichts. So verliert Paul die Nerven und blafft sie an: »Wo sind eigentlich diese Gips-Briefbeschwerer? … Während wir hier blöde quatschen, fliegen in meinem Zimmer wichtige Papiere durch die Gegend!« Marcy verlässt verstört das Zimmer, Paul fluchtartig die Wohnung. Nur ärgerlich, dass die Kohle für die Rückfahrt futsch ist und der strömende Mitternachtsguss einen Fußmarsch zurück zur Upper East Side undenkbar macht.
So landet Paul durchgenässt in einer Bar und macht sich auf der Toilette frisch. Ein flüchtiger Blick auf die Wandkritzeleien prophezeit sein Schicksal in dieser Nacht: Ein Haifisch, der sich bei jemanden im Dödel festgebissen hat. Die Kellnerin, die augenscheinlich Interesse an Paul hegt, ignoriert er gleichgültig und klagt lieber Barmann Tom (John Heard) seine Misere. Dieser ist für eine Gegenleistung bereit, Paul das Kleingeld für die Rückfahrt zu geben. Er soll den vergessenen Kassenschlüssel aus der Wohnung des Barmanns holen. Zur Sicherheit deponiert auch Paul seinen Wohnungsschlüssel als Pfand und steht kurz darauf schon in Toms Bude, das Suchobjekt schnell gefunden und in der Hand.
Die wahrscheinlichste Konsequenz wäre nun ein gutes Ende: Paul liefert den Kassenschlüssel ab, bekommt seinen eigenen wieder und fährt mit dem Kleingeld zurück in sein langweiliges Leben. Es kommt natürlich anders. Vor der Wohnungstür wird er von einer Bürgerwehr in Empfang genommen und als Einbrecher verdächtigt. Hier kann er sich aber noch rausreden, da er ja den Wohnungsschlüssel hat. Die echten Einbrecher tauchen dann auf der Straße als Neil und Pepe auf (Cheech und Chong) und schleppen verstohlen einen Fernseher sowie Kikis Skulptur zu einem verranzten Van. Zeit für Paul, den Helden zu spielen und die Gauner zur Rede zu stellen. Die flüchten lieber und lassen die Skulptur fallen, die Paul dann auf dem Rücken zurück zu Kikis Atelier schleppt.
Dort angekommen ist Kiki seemännisch gefesselt, was Pauls Vermutung eines Überfalls bestätigt. Nur seltsam, dass sie dabei völlig entspannt wirkt und Neil und Pepe als Freunde bezeichnet, denen sie kurz vorher Fernseher und Skulptur verkauft hatte. Zu allem Überfluss erscheint Horst (Will Patton), ein mit Lederhemd und Nietengürteln ausstaffierter Typ, der entgegen seiner bedrohlichen Erscheinung dezent und pfaffenhaft zu sprechen beginnt: »Das vorhin war ziemlich grob von dir, Paul … Du solltest dich schämen.« Langsam wird klar, dass keine Einbrecher am Werk waren, sondern Kiki und Horst sich offensichtlich mit Fesselspielen vergnügt haben.
Bevor die beiden Nachtgestalten sich auf zum „Club Berlin“ machen, wird Paul geraten, sich bei Marcy zu entschuldigen. Das tut er und überschüttet die im Bett liegende mit langen Monologen und diffusen Entschuldigungen. Merkt letztendlich, dass Marcy mausetot ist und eine Großpackung Schlaftabletten intus hat. Vielleicht eine gute Gelegenheit, sofort das Weite zu suchen? Oder eine schlechte, die tote Marcy nach den ominösen Brandwunden hin zu untersuchen. Es überrascht kaum, dass Paul sich für Letzteres entscheidet. Zum Vorschein kommt ein Tattoo eines Totenkopfs mit Hut. Den Paul als Schlüsselanhänger vom Barmann identifiziert und irritiert aus der Tasche zieht. Ja, da war was.
Zurück vor der Bar, die vorübergehend geschlossen wurde, läuft Paul Toms Kellnerin in die Arme, die wie ein Wasserfall redet und ihn zum Warten mit in ihre direkt gegenüber liegende Wohnung einlädt. Pauls Begeisterung für die in den Sechzigern hängengebliebene Julie (Teri Garr) hält sich weiterhin in Grenzen. Aber ein Dach über dem Kopf ist besser als im Regen vor der Bar zu warten. Julie ist schon nett, aber auch etwas unterbelichtet. Sie beschallt ihn erst mit einer Langspielplatte „Monkees“ und dann mit „Chelsea Morning“. Nebenbei zeichnet sie ungefragt ein Portrait von Paul und lädt ihn ein, mit ihren Haaren zu spielen. Als von Gegenüber zu hören ist, dass die Bar wieder geöffnet wird, springt Paul wie von der Tarantel gestochen auf, die Finger noch in Julies Frisur: »Ich hole nur kurz meinen Schlüssel und bin in zwei Minuten zurück!«
Sollte Paul nun seinen Wohnungsschlüssel zurückbekommen? Erleichtert, Julies Wohnung verlassen zu haben, scherzt er mit Tom: »Du hast nicht zufällig ein stark wirkendes Aphrodisiakum?« … »Will sie etwa nicht?« … »Es ist mehr für mich.« Der Barmann sieht die Sache pragmatisch: »Verzieh dich doch einfach, die wird sich schon nicht gleich umbringen.« In dem Augenblick, wo Tom den Schlüssel zurückgeben will, klingelt sein Telefon und er erfährt, dass seine Freundin sich mit Schlaftabletten umgebracht hat: »Marcy! Marcy! Marcy!« Pauls Irritation und Hilflosigkeit sprechen wieder Bände und er verlässt kurz die Bar, um sich zu sammeln. Und kehrt richtungslos zur hocherfreuten Julie zurück.
Wäre es eine normale Nacht, ohne tote Marcy, hätte sich Paul auf den blonden Ladenhüter mit der Turmfrisur eventuell eingelassen. Hier will er aber nur noch nach Hause und wimmelt Julie mit der Idee ab, einfach Telefonnummern auszutauschen. Die er sich dann lustlos notiert: »54433?« Leises Murmeln: »Das sind zwar nicht genug Zahlen, aber auch okay.« Bevor er die Wohnung verlässt, bekommt er als Geschenk noch einen Briefbeschwerer aufs Auge gedrückt, der von »der Künstlerin Kiki Bridges« gekauft wurde. Und Paul wieder einmal die Fasson verliert: »Verschon mich bloß mit dieser Scheiße!«
Toms Bar hat natürlich wieder zu. Aus dem Nebenhaus stolzieren Neil und Pepe, vollbeladen mit Diebesgut, die vom vielen Schleppen über Rückenschmerzen klagen. Die beiden sind also tatsächlich die gesuchten Einbrecher. Aber das interessiert gerade nicht. Paul macht sich auf zu Toms Wohnung, um seinen Wohnungsschlüssel endlich zurück zu bekommen. Dort läuft er dann der Bürgerwehr ein zweites Mal über den Weg: »Scheiße, da ist ja wieder dieser Typ! Lasst ihn nicht entwischen!« Paul flüchtet und entscheidet in seiner Verzweiflung, Kiki und Horst im „Club Berlin“ aufzusuchen.
Dort kommt er aber nicht rein, denn ein Hüne mit „Checkpoint-Charlie“-T-Shirt hält die Tür geschlossen. »Ist es später möglich?« … »Vielleicht, jetzt aber nicht.« Der Dialog mit dem Türsteher ist fast eins zu eins aus Kafkas „Vor dem Gesetz“ entnommen. Im Gegensatz zur Türhüterparabel muss Paul aber nicht Tage und Jahre warten. Er wird hereingelassen – wenn er sich damit abfindet, dass gerade Irokesennacht ist. Als er drinnen merkt, dass man ihm tatsächlich eine Irokesenfrisur verpassen will, hilft nur die schnelle Flucht zurück auf die Straße.
Und dort landet er auch schon beim nächsten Frauenzimmer, das Paul gekonnt die Taxitür in den Arm rammt und eine blutende Wunde verursacht. Und sich in ihrer penetranten Art auch nicht davon abhalten lässt, den inzwischen sichtlich erschöpften und verwirrten Paul mit in ihre Wohnung zu zerren, um ihn dort zu verarzten. Sein »Ich will doch nur nach Hause!« verhallt ungehört. Die neue, unentspannte Bekanntschaft stellt sich als Eiscremeverkäuferin für „Mister Softee“ vor. Auch wenn Paul etwas völlig anderes gefragt hat.
Den Vogel schießt sie ab, als sie beim Verarzten von Pauls Wunde Reste von Zeitungsausschnitten entdeckt und lauthals vorliest, die sich Paul als Überbleibsel beim Werkeln an Kikis Skulptur geholt hat. Spätestens das »Ich könnte es wegbrennen! Wo habe ich Streichhölzer?« gibt das Signal, hier ganz schnell die Biege zu machen. Glücklicherweise ist das Intermezzo mit der uncharmanten Eiscremeverkäuferin nur von kurzer Dauer. Gail (Catherine O’Hara) entdeckt auf der Straße das (von Julie gekritzelte) Portrait, das zum Fahndungsplakat umfunktioniert wurde. Um dann anschließend mit dem Eiswagen und der herbeigerufenen Bürgerwehr Paul durchs nächtliche SoHo zu jagen.
Nach einigen Irrwegen landet er wieder im „Club Berlin“ und erfährt, dass sich in dieser Nacht auch Räume in kurzen Zeitintervallen grundlegend ändern können. Denn dort, wo vor gut einer Stunde noch eine Horde Punks wild herumtanzte, ist nun tote Hose und der einzige Gast eine angestaubte und wortkarge Blondine, die zufälligerweise auch noch direkt unter dem Club eine Privatwohnung besitzt. Bei ihr erhofft sich Paul Schutz vor dem aufgebrachten Mob in dieser verdrehten Nacht. June (Verna Bloom) ist ebenfalls Bildhauerin und kommt auf die grandiose Idee, Paul zur Tarnung einzugipsen. Was auch tatsächlich die aufkreuzende Meute wieder abziehen lässt. Doch anstatt Paul wieder zu befreien, lässt sie ihn einfach wie eines ihrer anderen Werke trocknen und verschwindet.
Kurz darauf verdächtige Geräusche und der Gullydeckel öffnet sich: »Der totale Wahnsinn! Da ist meine Skulptur!« Neil und Pepe beenden mit dem eingegipsten Paul ihre Einbruchstour in dieser Nacht und machen endlich Feierabend. Paul wird fachmännisch verladen. Im Laufe der Fahrt öffnet sich in einer scharfen Kurve die Hecktür des Vans und Paul fliegt raus, wird durch den Sturz entgipst, klopft sich den Staub von der Schulter und betritt willenlos, fast schon mechanisch, seinen ungeliebten Arbeitsplatz. Und Mozarts Sinfonie leitet den Abspann ein.
»Nein, es ist kein Drogenfilm!«
Zugegeben, der Film ist speziell und nicht jedermanns Kost. Und es haben sich seit damals etliche Rezensenten einen abgebrochen und versucht, die vielen Motive irgendwie mythologisch zu deuten oder den Film in ein psychoanalytisches Korsett zu zwängen. Es ist auch nicht leicht, eine passende Schublade dafür zu finden. Für eine klassische Komödie ist er zu subtil und als Tragödie fehlt die Ernsthaftigkeit. Die Handlung nimmt immerhin ein gutes Ende, aber Pauls Konflikte bleiben ungelöst. Am ehesten könnte man ihn noch als Film noir („schwarzer Film“) klassifizieren. Aufgrund der Hell-Dunkel-Kontraste, dem expressionistischen Touch und den urbanen Schauplätzen – wenngleich der Begriff ursprünglich nur für französische Filme der 1940er verwendet wurde.
Eines ist der Film sicherlich nicht. Denn auch wenn Cheech und Chong ihren Gastauftritt haben und Paul sich zwischenzeitlich über Marcys „schlechten Shit“ beschwert, ist es kein Drogenfilm. Das anzunehmen wäre ähnlich krude, als wenn man behauptet, Hermann Hesse hätte den „Steppenwolf“ auf Meskalin verfasst. Diesen Frevel sollte ich selber erfahren, als ich mir vor einigen Jahren den Film mit der damaligen Freundin zusammen ansah. Für sie war der Film Neuland, noch nie was davon gehört, während ich die meisten Dialoge auswendig rezitieren konnte (und ihr damit wahrscheinlich auf den Keks ging). Ich merkte schnell, dass es keine gute Idee war, den Lieblingsfilm zu teilen.
So musste ich mir von dieser Banausin jede Viertelstunde anhören, dass »die da im Film doch alle gekifft haben!« Haben sie nicht. Außer in einer kurzen Szene. Aber der Shit war laut Paul ja „Hühnerkacke“ und wirkungslos. Also nein, kein Drogenfilm. Nach 93 Minuten fiel ihr Urteil mit »der Film war scheiße« wenig überraschend aus. Danach habe ich mir geschworen, dieses persönliche Heiligtum von Filmkunst, und wenn die Hölle zufriert, mir nie wieder mit einer Frau zusammen anzusehen. Gewisse Sachen kann man halt nur allein genießen. So wie ein langer Spaziergang im Regen oder ein lauter Furz nach dem Essen.
Fazit: Ein Film wie Würfel kaputt
Der besondere Reiz und rote Faden des Films ist das Spiel mit der Willensfreiheit. Mit jeder Gelegenheit heimzukommen verstrickt sich Paul tiefer im Labyrinth der unwahrscheinlichen Fügungen. Und fasst sein Schicksal kurz vor Ende des Films treffend zusammen: »Ist das alles Zufall? … Nein!« Denn die Gesetze der Kausalität scheinen in dieser Nacht von anderer Feder verfasst zu sein. Schopenhauer hätte beim Anblick Pauls sicherlich blöd aus der Wäsche geschaut, wenn dieser trotz bester Absicht kaum in der Lage ist, den Weg zwischen Ursache und Wirkung aktiv und bewusst zu beeinflussen.
Das macht „Die Zeit nach Mitternacht“ aber nicht zu einem philosophischen Film. Es gibt keine tiefere Bedeutung, über die man stundenlang diskutieren oder nachdenken könnte. Es existieren auch keine Parallelhandlungen und Nebenschauplätze. Der Fokus liegt vom Anfang bis zum Ende auf Pauls Reise durch die bizarre New Yorker Vorhölle, wo er die Orte wechselt, ohne jemals irgendwohin zu gehen. Und die Frage nach dem Warum stets unbeantwortet bleibt. Und das ist ein Schlag ins Gesicht jener, die in Kunstformen immer einen versteckten Sinn suchen. Was will uns der Künstler damit sagen? Nichts.
Lässt man sich dennoch auf diesen Film ein und ist gewillt, volle 93 Minuten auch mal ohne Knalleffekte und Kalauer zu verbringen, nimmt man drei nützliche Dinge mit heim. Einmal fasst Pepe (Cheech Marin) treffend das zusammen, was man als Laie schon immer über Kunst vermutet hat. Nämlich dass »je hässlicher Kunst ist, je teurer kostet!« Darüber hinaus bestätigt einen der Film die Ahnung, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie der Schule eben doch nur eine Theorie war. Denn wenn in jeder Situation jeweils der unwahrscheinlichste Ausgang eintritt, bliebe als einzig logische Erklärung, dass der Würfel kaputt ist. Und drittens thront über allem die universelle Erkenntnis, dass die nächste Frau im Leben stets schlimmer als die letzte ist und man bei der ersten besser geblieben wäre. Auch wenn sie einen leichten Dachschaden hatte.
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